Mit einem neu entwickelten thermoplastischen Polyurethan TPU von Sculpteo können Modelle von menschlichen Organen in 3D gedruckt werden, die von ihren strukturmechanischen Eigenschaften dem menschlichen Gewebe sehr ähnlich sind.

Dank dem Elektrosprayer können künstliche Muskeln bestehend aus tausenden von Schichten mit je nur einem Nanometer Dicke hergestellt werden. BILD: UNIVERSITÄT BASEL, BERT MÜLLER

Neue Kunststoffe für die Medizin

Publiziert

Wie alle Produkte der Medizintechnik muss auch Kunststoff diversen Regularien mit hohen Anforderungen entsprechen. Zudem ist die Branche einer stetigen Weiterentwicklung unterworfen und immer neue Materialien werden benötigt. Forschung und Entwicklung laufen auf Hochtouren und bringen Beachtliches hervor.

Die Grundanforderungen an Kunststoffe in der Medizintechnik sind gross: Sterilisierbarkeit ist eine wichtige Eigenschaft, die sich praktisch durch alle medizinischen Anwendungsgebiete des Kunststoffs zieht – zumindest für alle wiederverwertbaren Gegenstände. Biokompatibilität wird gefordert in verschiedenen Stufen je nach Anwendungsgebiet, darüber hinaus Beständigkeit gegenüber Säure und Temperaturen. Findet ein Kunststoff im Körper Anwendung, so müssen das Material sowie eventuelle Abbauprodukte für Zellen und Gewebe des menschlichen Körpers verträglich sein und keine Substanzen in giftigen Konzentrationen darin freisetzen. Kunststoffe, die ausserhalb des Körpers eingesetzt werden, dürfen keine schädlichen Inhaltsstoffe an die Flüssigkeiten oder Medikamente abgeben, mit denen sie in Berührung kommen. Hinzu kommen Anforderungen an Lebensdauer und Abbaubarkeit. Wer es genau wissen will, konsultiert die einschlägigen anwendbaren Normen und Regelwerke, wie die Iso 10993 (Normenreihe für die biologische Beurteilung von Medizinprodukten), die USP (United States Pharmacopeia Convention) oder die FDA (amerikanische «Food and Drug Administration»). Zunehmend gibt es darüber hinaus neue Anforderungen, die durch neue Anwendungsgebiete der Kunststoffe entstehen.

Winzig
Bradley Nelson von der ETH Zürich und sein Team entwickeln Mikro- und Nanoroboter für die exakte Platzierung von Wirkstoffen im menschlichen Körper. Der Vorteil dieser Methode: eine spezifischere Therapie mit weniger Nebenwirkungen wird möglich. Bei der Entwicklung und dem Test dieser Roboter liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Material und dem Design. Durch den Einsatz von 3D-Druckern erweitert sich das Materialspektrum um Kunststoffe. So wurde jüngst ein Mikroroboter aus einem gut verträglichen Biopolymer hergestellt, der sich nach getaner Arbeit im Körper auflöst. Inzwischen wurde diese Technologie weiter verfeinert. Dabei entstanden die sogenannten Origami Robots. Diese basieren auf der Tatsache, dass sich Biopolymere bei Stimulation verformen – sie dehnen sich aus oder ziehen sich zusammen. Die Stimulation kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen: Durch eine Änderung des pH-Wertes, einem Temperatur- oder einem Lichtimpuls. Der Roboter verändert durch die Stimulierung seine Form. Die Forscher orientierten sich bei dieser Erfindung an dem Bakterium, das die Schlafkrankheit auslöst. Dieses hat für eine effektive Fortbewegung in Körperflüssigkeiten eine schmale Form. Sobald es in einer Blutbahn angekommen ist und eine selbständige Fortbewegung nicht mehr benötigt wird, nimmt das Bakterium eine gedrungene Form an. So ähnlich wird es dann auch der Mikroroboter machen: Seine Form wird durch Impulse an die jeweiligen Anforderungen der Umgebung und der Aufgabenstellung angepasst. (1)

Elastisch und elektroaktiv
Elektroaktive Polymere sind elastisch und verwandeln elektrische Energie in mechanische Arbeit. Mit Hilfe zweier Elektroden wird der Kunststoff unter Spannung gesetzt und dehnt sich aus. Ohne Spannung zieht er sich wieder zusammen. Forscher der Universität Basel und der Empa haben im Forschungsprogramm Nano-Tera auf diesem Prinzip funktionierende künstliche Muskeln entwickelt, die in der Behandlung von Inkontinenz eingesetzt werden können. Das Prinzip der elektroaktiven Kunststoffe ist nicht neu. Neu ist aber, dass dieser elastische Kunststoff in einer Form hergestellt werden kann, bei der 40 Volt – also die Spannung einer Knopfzellen-Batterie – ausreicht, um den Effekt auszulösen. Bewegt sich die Dicke einer Lage des Materials im Mikrometer-Bereich, ist eine Spannung von mehreren hundert Volt für diesen Effekt nötig. Um den Betrieb mit einer kleinen Spannung von 40 V zu ermöglichen, darf sich die Dicke einer Schicht jedoch nur im Nanometerbereich bewegen. Von diesen Nano-Schichten müssen dann tausende übereinander geschichtet werden.

Realisiert wurde eine solche Schichtung im Projekt mit einer Methode, die man als Elektrospraying kennt, also das Zerstäuben von Silikonmolekülen in Lösung. In dieser speziellen Anwendung wurde jedoch nicht – wie im bekannten Verfahren – Gleichstrom, sondern stattdessen Wechselstrom verwendet. Die so gewonnenen Schichten können tausendfach aufeinandergeschichtet werden. Nach Angaben der beteiligten Forscherteams ist diese Methode für die industrielle Fertigung bestens geeignet. (2)

Oberflächlich funktional
Für die Dialyse wurden neue Membranen aus Hochleistungskunststoffen entwickelt. Das sind zum Beispiel modifizierte Polyamide, Polyethersulfone und Polysulfone. Die Materialien weisen eine hohe Stabilität hinsichtlich der Temperatur, chemischen Substanzen und mechanischen Einwirkungen auf. Sie sind im Allgemeinen resistent gegen extreme pH-Werte. In dem Projekt «Membrantechnologien – Membra-Tech» der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Roderich Süssmuth (Leiter des Fachgebietes Biologische Chemie der TU Berlin) in Kooperation mit der Firma Pentracor GmbH (Hennigsdorf), sollen neuartige Membranen entwickelt werden, die durch eine veränderte Oberfläche schädliche Eiweisse aus dem Körper zu entfernen. Diese Funktion wird für den Einsatz der Membran bei der Dialyse benötigt. (3)

Druckbar
3D-Druck ist in der Medizintechnik von grosser Bedeutung. Zum einen bietet diese Fertigungstechnik grosse Vorteile bei der Herstellung von patientenindividuellen Implantaten und Prothesen. Zum anderen können mit dem 3D-Druck komplexe und sehr kleine Strukturen realisiert werden, die bis anhin nicht hergestellt werden konnten. Dies erlaubt zum Beispiel die Herstellung von Objekten mit speziellen strukturmechanischen Eigenschaften, die für die Anwendung in der Medizin von Bedeutung sind. Das französische Unternehmen Sculpteo hat neu ein thermoplastisches Polyurethan TPU entwickelt, das beim Laser Sintering verwendet werden kann. Das Material ist öl- und fettbeständig und eignet sich zur Herstellung von Objekten mit einer körnigen Oberfläche und einer bestimmten Härte. Geeignet ist dieses Material insbesondere für Chirurgenwerkzeuge oder auch für die Herstellung von Organmodellen, da es die strukturmechanischen Eigenschaften von lebendem Gewebe besonders detailgetreu nachbilden kann. (4)

Quellen
(1) https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/ethnews/news/2016/09/die-mikrodoktoren-in-unserem-koerper.html, zuletzt abgerufen am 07.10.2016
(2) https://www.empa.ch/de/web/s604/electrospraying, zuletzt abgerufen am 12.10.2016
(3) http://www.pressestelle.tu-berlin.de/menue/tub_medien/publikationen/medieninformationen/2016/august_2016/medieninformation_nr_1242016/ zuletzt abgerufen am 12.10.2016
(4) https://www.3yourmind.com/blog-de/9-neue-3d-druckmaterialien, zuletzt abgerufen am 12.10.2016

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Bezugsquellenverzeichnis