Qualifizierung und Monitoring für Reinräume


Fertigung unter Reinraumbedingungen ist auch in der Kunststoffindustrie immer häufiger gefordert. Bei der kontinuierlichen Aufrechterhaltung und Überprüfung der Reinraumbedingungen gibt es Pflicht und Kür. Wie beim Eiskunstlauf ist das Erfolgsrezept eines effizienten Reinraumbetriebes eine gute Kombination aus beidem.

In der Kunststoffindustrie spielte die Reinheit der Produktionsumgebung im Gegensatz zur Pharmaindustrie und zur Halbleiterproduktion lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Doch zunehmend unterliegen auch Produkte aus Kunststoff den entsprechenden Normen und Richtlinien der Reinraumproduktion. Dies gilt insbesondere bei der Herstellung von Medizintechnikprodukten, bei technischen Produkten sowie bei Kunststoffartikeln, deren Oberflächen Strukturen in Mikro- beziehungsweise Nanoskalierung aufweisen. Auch dort, wo keine Reinheitsklasse explizit vorgeschrieben ist, empfiehlt es sich häufig, die Produktion in Reinräumen zu verlegen, um die Ausbeute zu erhöhen beziehungsweise die Ausschussrate zu reduzieren. Aus diesen Gründen sind auch in kunststoffverarbeitenden Unternehmen vermehrt Produktionsanlagen in Reinräumen zu finden.

Pflicht: Qualifizierung und Requalifizierung
In der Regel darf eine reinraumtechnische Anlage erst operationell betrieben werden, wenn sie vorgängig qualifiziert wurde, das heisst, wenn nachgewiesen wurde, dass die Reinräume für die vorgesehene Produktion geeignet sind. Mit regelmässigen Requalifizierungen wird sichergestellt, dass die Anlage auch dauerhaft den Anforderungen der relevanten Regelwerke entspricht. Die wichtigsten in der EU geltenden Vorgaben hinsichtlich der Klassifizierung der Luftreinheit sowie deren Prüfung und Prüfmethodik finden sich in der erst 2016 überarbeiteten Norm SN EN ISO 14644 Teil 1 bis 3 sowie im EG-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, kurz GMP). Requalifizierungen werden in bestimmten Intervallen, meist jährlich, durchgeführt. Ereignisse wie Änderungen in der Spezifikation der Anlage, Instandhaltungsarbeiten, die den Betrieb signifikant beeinflussen, oder relevante Störungen und Stromausfälle können darüber hinaus ausserplanmässige zusätzliche Requalifizierungen bedingen. «Die Qualifizierung und Requalifizierung sollte ein unabhängiger und neutraler Dienstleister durchführen, der nicht in die Erstellung der Anlage involviert war. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse fachgerecht beurteilt werden», erklärt Marco Cau, Geschäftsführer der CRT Cleanroom-Technology AG Schweiz. Bei der Qualifizierung oder Requalifizierung begutachtet der unabhängige Messtechnik Dienstleister zunächst die örtlichen Gegebenheiten wie Grösse und Anordnung der Reinraumbereiche, Aufbau und Zugänglichkeit der Anlage. «Aufgrund dieser Erkenntnisse und den zugrundeliegenden Anforderungen werden die Messungen mit der von den Regelwerken vorgeschriebenen Messmethodik durchgeführt.»

Partikel und Strömungen
Für die Requalifizierung wird in der SN EN ISO 14644 Teil 2 beispielsweise die Messung der Partikelzahlen in Bezug auf die festgelegten Klassifizierungen in SN EN ISO 14644 Teil 1 vorgeschrieben. Abhängig von den spezifischen Reinraumanwendungen müssen auch Luftvolumenstrom, Luftgeschwindigkeit, Luftwechselzahl und Differenzdruck in regelmässigen Intervallen geprüft werden. Zudem enthalten die gängigen Normen Empfehlungen in Bezug auf die Prüfung der Filterdichtheit, Luftströmungsrichtung, Erholzeit und Dichtheit der Abschliessung. «Im Reinraum spielt nebst dem Partikel auch die Strömung eine grosse Rolle. Somit ist die Strömungsvisualisierung eine wichtige Methode, um die optimale Luftströmungsrichtung aufzuzeigen und nachzuweisen», erklärt Marco Cau. Die SN EN ISO 14644 Teil 3 trägt diesem Aspekt Rechnung und beschreibt die Prüfung der Luftströmung. Die Strömungsverhältnisse werden mit Hilfe von Nebelbeaufschlagung im Raum durch Nebelgeneratoren sichtbar gemacht und mit einem möglichst hochauflösenden Videosystem aufgezeichnet. Von Vorteil ist es, wenn die Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven erfolgen. Ebenfalls mit der Strömungsvisualisierung kann die Aufrechterhaltung von Reinraumzonen unterschiedlicher Klassen durch unterschiedliche Luftdrücke oder Überströmungen überprüft werden. Solche Reinraumzonen können zum Beispiel Schleusen für Material oder Personal sein, um beim Betreten des eigentlichen Reinraums den Partikeleintrag so gering wie möglich zu halten.

Mapping und Monitoring
Um die Qualität auch zwischen den Requalifizierungen sicherzustellen, muss die Raumluft vom Betreiber überwacht werden. Hierfür werden meist stationäre Partikelzähler an verschiedenen Orten im Raum eingesetzt. Auch weitere Parameter des Raumklimas wie Temperatur, Luftfeuchte und Differenzdrücke zwischen verschiedenen Reinraumbereichen sind Gegenstand permanenter Kontrolle. «Für eine durchgängige Überwachung des Raumklimas und der Luftreinheit ist es wichtig, die Sensoren an den richtigen Messpunkten des Reinraumes zu positionieren», erklärt Cau. «Ein sogenanntes Mapping für die Anordnung der Messpunkte im Raum zu erstellen, ist ein iterativer Prozess, der sich je nach räumlichen Bedingungen über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen erstrecken kann.» Ist das Monitoring schliesslich eingerichtet, liefern die Feldmessgeräte wie Druckmessgeräte, Luftfeuchte- und Temperaturmessgeräte und Partikelmesszähler kontinuierlich Daten über den Betrieb der Anlage. Optimal wäre es nun, wenn all diese Daten digitalisiert und in einem Reinraum Monitoring System zusammengefasst, aufgezeichnet und ausgewertet werden könnten. «Wir finden im überwiegenden Fall in den Unternehmen eine gewachsene, heterogene Gerätelandschaft von unterschiedlichen Herstellern vor. Die Signale der Feldgeräte sind immer noch oft analog, doch digitale Signale und Feldbus-Systeme setzen sich vermehrt durch», berichtet Marco Cau. «Meist sind in solchen heterogenen Gerätelandschaften unterschiedliche BUS-Systeme wie Modbus, Profibus und Bac-Net vertreten, was die Kommunikation der Geräte untereinander erschwert.»

Gleiche Sprache sprechen
Nur wenn alle eingesetzten Geräte die gleiche Sprache sprechen und miteinander kommunizieren, können die Werte verschiedener Messstellen und Messgrössen korreliert werden und damit von höherem Nutzen als bisher sein. Häufig kann bereits vor dem Überschreiten von Grenzwerten aufgrund der vorliegenden Daten und darin erkennbaren Mustern eine mögliche Fehlfunktion erkannt und ein entsprechendes Warnsignal an das Leitsystem abgegeben werden. Ein solches «Datamining» von Messdaten bietet auch in Reinräumen grosses Potenzial für die Zukunft. Einen möglichen Lösungsansatz für die Implementierung bieten extrem modular aufgebaute Systeme oder Messfühler, die ihre Daten direkt per Funk in die Cloud übertragen (Quelle 2). Ein weiterer Vorteil eines durchgängig digitalen Monitoring Systems: Die Bedingungen der Reinraumumgebung im Herstellungsprozess lassen sich in einer solchen Anlage einfach und lückenlos dokumentieren, was im Hinblick auf Rückverfolgbarkeit einen grossen Gewinn darstellt.

OPC UA und Reinraum 4.0?
Industrie 4.0 setzt auf den offenen Standard OPC UA, Open protocol communication Unified Architecture für einen sicheren und standardisierten Daten- und Informationsaustausch zwischen Geräten und Diensten. Wird dieser Kommunikationsstandard künftig auch im Reinraum eine Rolle spielen? «Im Zusammenhang mit 4.0 und neuen Geschäftsmodellen bietet das Kommunikationsprotokoll OPC UA eine gute Grundlage und Ausgangslage. Damit kann eine Kommunikation von einem Gerät in der Feldebene direkt in jede beliebige Ebene in der Automatisierungspyramide, oder unter Umständen sogar direkt in eine Cloud geschaffen werden. Für Konzepte wie «condition monitoring», «predictive maintenance» oder «demand forecasting» ist dies ein Weg, um Mehrwerte für die Kunden zu generieren», erklärt Tobias Wüst, Geschäftsführer der Leuze electronic AG, Schweiz.

Last but not least: Partikeleintrag reduzieren
Abrieb durch Maschinenbewegungen, ungünstige Anlagenkonstruktion, elektrostatische Aufladungen und andere Aspekte verursachen eine permanente Verunreinigung der Raumluft während der Produktion. Zur Aufrechterhaltung der Reinraumqualität ist es notwendig, diesen Eintrag von Partikeln in die Raumluft so gering wie möglich zu halten. Dieser Aspekt muss bereits bei der Konstruktion der Anlage und durch die Verwendung von reinraumgeeigneten Geräten und Maschinen berücksichtigt werden. Doch das allein reicht nicht. «Den grössten Partikeleintrag im Reinraum verursacht der Mensch», sagt Marco Cau. Rund 100 000 Partikel, meist in Form von Hautschuppen, sondert ein Mensch schon in Ruhe ab. Betätigt er sich, steigt die Partikelemission. «Deshalb müssen Mitarbeiter im Reinraum Schutzkleidung tragen und häufig ein mehrstufiges Schleusensystem aufsteigender Reinheitsklassen durchlaufen, bevor sie den eigentlichen Reinraum betreten dürfen. Generell sollte der Einsatz menschlicher Arbeitskraft im Reinraum deshalb so gering wie möglich gehalten werden.» Eine Möglichkeit hierzu bietet beispielsweise der Einsatz von Robotern überall dort, wo nicht zwingend menschliches Eingreifen notwendig ist. Ein Roboter kann hinsichtlich seiner Partikelemission im Gegensatz zum Menschen durch eine geeignete Konstruktion und Materialauswahl optimiert werden. Ist er zudem Teil eines digitalen Gesamtsystems, lässt sich sein reinraumkompatibles Verhalten überwachen und steuern. Auf diese Weise kann ein erheblicher Beitrag zum Erhalt der Reinraumbedingungen und zur Minimierung des dafür benötigten Aufwandes geleistet werden.

Heike Henzmann

Quellen
Quelle 1: SN EN ISO 14644 - 1, Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche - Teil 1: Klassifizierung der Luftreinheit anhand der Partikelkonzentration (ISO 14644-1:2015); Deutsche Fassung
Quelle 2: EN ISO 14644-1:2015 https://cleanzone.messefrankfurt.com/frankfurt/de/journalists/pressemitteilungen/digitale-monitoring-loesungen-press.html, zuletzt abgerufen am 15.10.2017

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Bezugsquellenverzeichnis