Lufthansa und Otto zählen zu den ersten Industriekunden, die das in der traceless-Pilotanlage in Buchholz in der Nordheide (bei Hamburg) hergestellte Granulat auf Herz und Nieren prüfen. Das wird dann beispielsweise zu Catering-Verpackungen von Lufthansa verarbeitet. Noch in diesem Jahr werden die Schutzhüllen auf einzelnen Lufthansa-Flügen unter Echtbedingungen getestet. 40 weitere Konsumgüterhersteller und rund ein Dutzend Partner aus der Kunststoff-Industrie, vor allem Verpackungshersteller und Kunststoffhändler, haben schon ihr Interesse bei traceless angemeldet.
Folien, Beschichtungen, Besteck: Den Kunststoff-Anteil in all diesen Produkten will traceless materials aus Hamburg mit dem eigenen Bio-Granulat „traceless“ ersetzen – ein Naturstoff, der die Eigenschaften von Plastik hat, aber in der Natur vollständig kompostierbar ist und zudem eine hervorragende Ökobilanz aufweist. Dafür hat die Expertenjury des Deutschen Gründerpreises die Hamburger in der Kategorie StartUp 2022 nominiert. Welcher der jeweils drei Finalisten in den Kategorien „Aufsteiger“ und „StartUp“ die begehrte Trophäe gewinnt, erfahren die Kandidaten bei der Preisverleihung am 13. September 2022 im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
Verbraucher setzen die Konsumgüter-Industrie weltweit unter Druck: Im Supermarkt und im Online-Handel sind die Produkte besonders erfolgreich, die nachweislich „grün“ sind. Konzerne werden quasi gezwungen, den Kunststoff-Anteil in ihren Produkten und Verpackungen massiv zu senken. Die Hamburgerin Dr. Anne Lamp (31) hat der weltweiten Plastikverschmutzung den Kampf angesagt und empfiehlt sich und ihr Unternehmen damit gleichzeitig als Retter in der Konzern-Not. Die Verfahrensingenieurin hat einen Stoff erfunden, der in vielen Bereichen der Konsumgüter-Herstellung Plastik ohne grossen Aufwand ersetzen kann. Das traceless-Granulat lässt sich praktisch wie Kunststoff-Granulat verarbeiten, besteht aber nicht aus Erdöl, sondern aus Getreide-Abfall. Für eine Tonne traceless-Granulat wird eine Tonne weniger Plastik hergestellt – und das bei 1,7 Tonnen weniger CO2-Ausstoss.
Die Erfindung von Dr. Anne Lamp lässt den Bio-Traum Realität werden: Ein Abfallprodukt, das selbst schon bio ist, wird umweltschonend weiterverarbeitet und ersetzt ein Problemprodukt: Getreidereste statt Plastik! Klingt fast zu phantastisch. Und so wurde sie auch von der Kunststoffindustrie belächelt: „Kunststoff wird immer billig sein“, bekam sie zu hören. Statt sich davon einschüchtern zu lassen, gründete sie ihre eigene Firma: „Mir war von Anfang an das grosse Potenzial bewusst.“ Über ein Mentoring-Programm lernte sie Mitgründerin Johanna Baare (33) kennen. Die Psychologin und MBA war zuvor unter anderem als Unternehmensberaterin für die Business Innovation Consulting Group tätig, hat hier Erfahrung in der Skalierung ihres Teams und des Unternehmens gesammelt. Ihr Wunsch war es jedoch schon länger gewesen, den eigenen Erfahrungsschatz bei Start-ups einzubringen.
Untrennbar mit dem traceless-Granulat verbunden ist die traceless-Technologie, der von Dr. Lamp entwickelte, innovative Bioraffinerie-Prozess, der aus Getreide-Abfall Plastik-Ersatz macht. „Das spezifische Material ist nicht komplett neu“, erläutert die Erfinderin, „es ist die neue Art und Weise, wie die Moleküle, die Bausteine der Natur, genutzt werden können und wie sie ihre Funktionalisierung erhalten, die das Material in der Verarbeitung dem Kunststoff so ähnlich macht. Die Innovation ist der Prozess vom Abfallprodukt der Lebensmittel-Produktion hin zum Kunststoff-Ersatz.“
Das Ergebnis ist schlicht faszinierend: traceless ist in allen Wirkungsindikatoren – also etwa CO2-Emissionen, Bio-Basis, Nicht-Toxizität – so nachhaltig einzigartig, dass es dafür noch nicht einmal ein Zertifikat gibt, das traceless-Kunden für Endverbraucher als Zusatz-Information auf die Verpackung drucken könnten. Die Lösung ist eine „Ingredient Brand“: „Unser Ziel ist, traceless auch bei Endkunden so bekannt zu machen, dass ein schlichter Hinweis darauf zeigt, dass man mit diesem Produkt nichts falsch macht“, sagt COO Johanna Baare.
Die Finalisten in der Kategorie StartUp, ein- bis maximal dreijährige Unternehmen, die ihre Geschäftsidee besonders erfolgreich am Markt etabliert haben, sind:
- Additive Drives GmbH, Dresden: Mobilität wird weltweit mehr und mehr elektrisch. Mit ihrer Kombination aus Fachwissen über Elektromotoren und der Fähigkeit, diese im 3D-Verfahren zu drucken, hat Additive Drives für die weltweite Autoindustrie nicht nur ein Bedarfsproblem gelöst, sondern hilft den Herstellern, ihre Produkte zu verbessern. Neben allen grossen deutschen Automarken gehören auch Ford (USA) und Toyota (Japan) schon jetzt zu ihren Kunden. Nächster Schritt: die Luftfahrt-Industrie.
- Aleph Alpha GmbH, Heidelberg: Wie kein anderes Modell für künstliche Intelligenz (KI) versteht Aleph Alphas „Luminous“ logische Zusammenhänge von Text, aber auch von Bildinhalten. Die von der KI ausformulierte Antwort ist dabei nicht nur präzise, schnell und transparent, sondern auch sprachlich auf den Menschen ausgerichtet. Aleph Alpha strebt an, das führende europäische Unternehmen zu werden, das diese „KI der nächsten Generation“ erforscht.
- traceless materials GmbH, Hamburg: Folien, Beschichtungen, Besteck: Den Kunststoff-Anteil in all diesen Produkten soll künftig das Bio-Granulat „traceless“ ersetzen – ein Naturstoff, der die Eigenschaften von Plastik hat, aber in der Natur vollständig kompostierbar ist und zudem eine hervorragende Ökobilanz aufweist. traceless lässt einen Bio-Traum Realität werden: Ein Abfallprodukt, das selbst schon bio ist, wird umweltschonend weiterverarbeitet und ersetzt ein Problemprodukt.
In der Kategorie Aufsteiger werden Unternehmen ausgezeichnet, die nicht älter als neun Jahre sind und bereits ein ausserordentliches Wachstum erreicht haben. Nominiert sind in diesem Jahr:
- Appinio GmbH, Hamburg: „Die schnellste Marktforschung der Welt“ stellt die Branche auf den Kopf. Statt Tage oder Wochen dauert es im Schnitt nur wenige Minuten, bis Appinio eine Umfrage „draussen im Feld“, also bei den Befragten, hat und die Ergebnisse vorliegen. Mit einer völlig neuen Methodik, Social-Media-Mechanismen und einer ordentlichen Portion Entertainment gewinnt Appinio schneller bessere Daten, auch weil die Befragten ehrlicher antworten.
- osapiens Services GmbH, Mannheim: Transparenz, Berechenbarkeit und Vertrauen entlang der gesamten Lieferkette – mit B2B-Softwarelösungen schützt osapiens Verbraucher und global agierende Unternehmen nicht nur vor Produktfälschungen, Piraterie und Schmuggel, sondern stellt auch die digitale Grundlage für nachhaltigere Lieferketten zur Verfügung. Externe Anforderungen – etwa durch den Gesetzgeber – sind viel einfacher, weil automatisiert und KI-gestützt, umsetzbar.
- Schüttflix GmbH, Gütersloh: Mit seiner App für Schüttgüter, Transporte und Entsorgung tritt Schüttflix an, die Baubranche zu modernisieren. Bestellvorgänge und Lieferungen von Kies, Schotter und Sand sind mit der App so einfach wie die Online-Bestellung auf dem Smartphone. Zudem werden Leerfahrten reduziert und damit die Ökobilanz verbessert. Schüttflix macht Schluss mit Problemen, die die Baubranche schon seit Jahrzehnten plagen und ändert, wie „auf dem Bau“ gearbeitet wird.
Alle Finalisten erhalten eine individuelle, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Beratung durch die Porsche Consulting. Zudem übernehmen Mitglieder des Kuratoriums des Deutschen Gründerpreises über einen Zeitraum von zwei Jahren Patenschaften für jeden Finalisten und stellen ihr Know-how und ihre Erfahrungen zur Verfügung. Die Unternehmen erhalten ausserdem ein Medientraining beim ZDF sowie Zugang zum Netzwerk des Deutschen Gründerpreises.
Vorgeschlagen wurden die Unternehmen durch die rund 300 Experten des Deutschen Gründerpreises. Sie stammen aus renommierten Unternehmen, Technologiezentren, Ministerien, Gründungsinitiativen und der Sparkassen-Finanzgruppe. Die Experten verfügen über jahrelange Erfahrungen mit Unternehmensgründungen und sehr gute Branchenkenntnisse. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt den Deutschen Gründerpreis.